Zwischen vierzig und fünfzig geraten Männer oft in eine Sinnkrise, die Midlife Crisis. Verstärkt wird sie dadurch, dass die allen Rollenfestlegungen nicht mehr funktionieren. "Mann" verliert sich dann in den Ansprüchen, die von außen an ihn herangetragen werden.
Natürlich gab es früher Männer, die mit den Rollenerwartungen nicht klar kamen. Heutzutage ist der Anspruch an den Mann dennoch gewachsen: Er soll in der Partnerschaft/Familie mehr Gegenüber sein. Die klassischen Aufgaben der Hausfrauen in den 50-iger Jahren wie kochen, putzen, Wäsche waschen sollen jetzt gerecht zwischen Mann und Frau aufgeteilt werden. Gleichzeitig wird erwartet, dass auch alles andere läuft: Erfolg im Beruf, gutes und sicheres Einkommen und natürlich eine Tätigkeit, die ihn erfüllt und ihn nicht an den Arbeitsplatz fesselt. Manche sprechen sogar vom "Verschwinden des Maskulinen".
Bekanntlich ist unsere Zeit und Kraft begrenzt. Jüngere schaffen es noch, die gestiegenen Ansprüche durch Mehrleistung auszugleichen. Aber das geht irgendwann nicht mehr. Schließlich steuert "Mann" auf eine dauerhafte Überlastung zu. Im Selbstoptimierungswahn versucht er in weniger Zeit immer mehr hineinzupressen. Aber die To-Do-Listen werden immer länger und die zu beantwortenden E-Mails häufen sich. Das laugt aus. Das nimmt Freude und manche wachen dann irgendwann auf und fragen sich: "Warum stehe ich eigentlich jeden Morgen auf und tue mir diese Tretmühle an?".
Im Interview mit der Welt am Sonntag meint mein Coaching Kollege Dirk Schröder, dass Männer in der maskulinen Sinnkrise "sich zwischen den Ansprüchen verlieren". Die Rheingold-Marktforschungsstudie unterstreicht diese Sicht: "In ihrer Ratlosigkeit orientieren sich heute viele Männer unbewusst am Blick der Frau. Sie versuchen zu antizipieren, die Folge ist, dass Männer oft gar nicht ihre eigenen Wünsche und Ansprüche artikulieren, sondern in vorauseilendem Gehorsam auf lieb Kind machen. Sie passen sich brav an und zeigen sich verzagt und voller Selbstzweifel."
Wenn "Mann" nun versucht es dem Chef, der Partnerin und anderen Recht zu machen, dann verliert er sich tatsächlich irgendwann selbst. "Mann" geht über seine Grenzen bis er sich selbst nicht mehr wahrnimmt. Hand in Hand geht damit das Aufgeben der eigenen Wünsche und Bedürfnisse. Die Dinge, die "Mann" Spaß machen kommen im Alltag immer mehr unter die Räder. Es ist ein schleichender Prozess bis man schon gar nicht mehr sagen kann, was man eigentlich will.
In dieser Krise, bei der "Mann" sich selbst verloren hat, scheint dann die Verlockung einer jugendlich-attraktiven Frau als Chance aus der Anspruchsmühle auszubrechen. Sich wieder lebendig zu fühlen. Dabei läuft man aber vor den eigenen Fragen davon. Andere wiederum vergraben sich in Arbeit und spüren so vorübergehend die Leere nicht. In Ruhepausen oder am Wochenende zeigt es sich dann umso erbarmungsloser.
Nun passt die Midlife Crisis überhaupt nicht in das Bild des erfolgreichen Mannes, der sein Leben im Griff hat. Aber eine Krise ist eine Chance, die uns darauf aufmerksam macht, dass sich das Leben in uns weiter entwickeln möchte. Sie fordert uns heraus, uns weiterzuentwickeln. Manchmal kommen Krisen von außen und fordern uns Veränderung ab. Das könnte ein plötzlicher Verlust des Arbeitsplatzes oder gesundheitliche Probleme sein. Aber dazu brauch es gar nicht erst kommen.
Sich den notwendigen Veränderungen zu stellen, ist ein durchaus mühevoller Prozess. Es bedeutet, sich dem zu stellen, was schwierig ist. Der inneren Leere. Der Kraftlosigkeit. Dem Scheitern. Es bedeutet, sich wieder auf die Suche zu machen nach dem, was einen lebendig macht. So fängt "Mann" mit Mitte Vierzig wieder an zu denken.
Mich inspiriert selber immer wieder ein Satz von Howard Thurmann: "Frage Dich nicht, was die Welt braucht. Frag Dich lieber, was Dich lebendig macht und dann geh hin und tu das Entsprechende. Denn die Welt braucht nichts so sehr wie Männer, die lebendig geworden sind."
Was macht Sie lebendig? Haben Sie aus den Augen verloren, was Ihnen so wichtig war? Lassen Sie die in der Krise liegende Chance nicht verstreichen.
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