Im Rückblick sehe ich jetzt: In sämtlichen Entscheidungsprozessen, in denen ich als junger Erwachsener stand, wusste ich nicht was ich wollte.
Nach dem Abi hatte ich keine Ahnung was ich studieren sollte. Nach meiner Entscheidung für das Chemiestudium spürte ich eine Unsicherheit, ob ich es tatsächlich weiterführen möchte. An jeder Station, sei es Vordiplom, Diplom oder Doktorarbeit, drängte die Frage nach dem „was ich wirklich will“ immer wieder an die Oberfläche. Aber ich konnte keine spontane und beherzte Antwort darauf geben.
Wir übergehen häufig deutliche Zeichen dafür, dass in uns eine Unklarheit herrscht. Das kann so aussehen, dass wir für Entscheidungsprozesse unheimlich lange brauchen oder uns einfach schwer damit tun. Trotz Pro-und Contra-Liste werden wir das Gefühl nicht los, dass keine wirkliche Klarheit entstanden ist.
Oder es meldet sich nach der Entscheidung ein ungutes Bauchgefühl, dass wir etwas übersehen haben könnten. Manchmal fällt uns auf, wenn wir anderen unsere Entscheidung erklären wollen, dass wir sie nicht richtig auf den Punkt bringen können oder unsere Erklärung klingt in unseren eigenen Ohren hohl. Weitere Kennzeichen sind Lustlosigkeit und Freudlosigkeit bei dem, was ich tue und wofür ich mich entschieden habe.
Als ich einen weisen älteren Mann in einer Entscheidungssituation um einen Rat bat, sagte er zu mir: „Daniel, du musst zu dir selber finden, das ist eine wichtige Aufgabe.“ Damals habe ich mich über diese Antwort geärgert. Ich wollte in dieser Situation einen Tipp für die eine oder die andere Richtung bekommen. Aber mit diesem Ratschlag konnte ich nichts anfangen. Erst viele Jahre später, nachdem ich tatsächlich begonnen hatte mich mit mir zu befassen, verstand ich, was er meinte. Warum damals ein gut gemeinter Ratschlag von ihm für die eine oder andere Richtung nichts gebracht hätte.
Um der eigenen Unklarheit auf die Spur zu kommen, brauchen wir den Mut innezuhalten und uns in dieser unklaren Situation mit uns selber zu befassen. Das erfordert die Entscheidung, uns Zeit dafür zu nehmen. Vielleicht sogar viel Zeit, damit wir ein Gefühl dafür bekommen, was eine gute Antwort wirklich von uns erfordert. Wir setzen uns selbst oft unter den Druck funktionieren zu müssen. Innerhalb dieses Musters geht dann nichts anderes, als dass wir mit dem Gewohnten weitermachen wie bisher und der unbequemen Situation ausweichen. Dabei geht es gerade darum, den Ursachen für das, was mich stört, nachzugehen. Denn darin liegt die Möglichkeit verborgen, dass neue Lebensmöglichkeiten in uns aufbrechen.
Am besten ist es, wenn wir so einen Weg nicht allein beschreiten. Ehrliche Freunde oder auch ein professionelles Gegenüber können für unseren Klärungsprozess wertvolle Weggefährten sein und uns Impulse geben, wo wir selbst nicht weiterkommen. Leider bleiben wir häufig mit solchen Fragen zu lange allein. Wir wurschteln uns ganz gut durch. Es ist ja auch nicht so, dass wir das Leben nicht auf die Reihe bekämen. Manchmal braucht es eine äußere Not, damit wir anfangen, uns unseren Fragen zu stellen.
Für mich selbst war es nötig eine Auszeit zu nehmen. Durch ein Seminar bekam ich hilfreiche Strukturen und Impulse für diesen Klärungsprozess. Dabei lernte ich, dass meine Kernkompetenz im Beraten liegt. Das hatte zur Folge, dass ich künftig meine Entscheidungen unter ganz anderen Vorzeichen fällen konnte. Auf dieser Grundlage konnte ich dann später auch die Entscheidung treffen, aus meinem bisherigen Beruf auszusteigen und als Coach zu arbeiten. Aber das ist eine andere Geschichte...